Verborgene Botschaften

Die Musik von William Byrd in unsicheren Zeiten

from: Conrad Gessner, Historia animalium, 1551-58

Die Abkehr Englands von der katholischen Kirche und die Gründung der anglikanischen Kirche durch Heinrich VIII. im 16. Jahrhundert zwang in den folgenden Jahrzehnten jene Menschen, die an der alten Kirche festhalten wollen, ihre Religion im Verborgenen zu praktizieren, da ihnen sonst hohe Strafen bis hin zum Tod drohten. Inmitten dieser Wirren stand William Byrd, Gentleman of the Chapel Royal, führender Musiker des elisabethanischen Englands, Günstling der Königin und überzeugter Katholik.

Er spielte ein äußerst gefährliches Spiel. Nicht nur weigerte er sich, zur neuen Religion zu konvertieren, sondern er komponierte auch lateinische Motetten und Musik, die dezidiert für katholische Gottesdienste bestimmt war. Seine hohen künstlerischen Fertigkeiten und sein grosses Ansehen bei der Königin selbst, der er immer wieder Werke persönlich widmete, bewahrten ihn wohl davor, seine beharrliche Wanderung an der Grenze zum Hochverrat mit dem Leben zu bezahlen.

Da gewisse Teile des Adels weiter an der alten Kirche und ihren Praktiken festhielten, bildeten sich an ihren Landsitzen, fernab der Öffentlichkeit, geheime katholische Zentren, in denen hinter verschlossenen Türen die Messe gefeiert wurde. Zu dieser Gelegenheit erklangen die lateinischen Motetten von William Byrd, in deren Texten oft Worte aus dem alten Testament aufgegriffen werden, die etwa von der Zerstörung des Tempels in Jerusalem oder der Verfolgung und Bedrängnis des Volkes Israel erzählen und von seinen Zeitgenossen unmittelbar auf die eigene Situation bezogen werden konnten. Einzelne Werke können sogar direkt in Zusammenhang mit konkreten Ereignissen, wie der besonders grausamen Hinrichtung des Jesuiten Edmund Campion, gebracht werden, auf die sie durch mehr oder minder verborgene Zitate anspielen. Diese Verzweiflungsschreie und Klagerufe, diese Bitten nach Erbarmen und Rettung, vertonte Byrd in einer in der englischen Musik bisher ungehörten Art und Weise.

Seine Motetten müssen ausserordentlich bewegend und eindringlich auf ihre ersten Zuhörer gewirkt haben und haben bis zum heutigen Tag nichts von ihrer emotionalen Intensität verloren.


The Society of Voices

Hiram Santos, Superius

Akinobu Ono, Medius

Christopher Wattam, Tenor

Csongor Szántó, Contratenor

Roland Faust, Bassus

Christoph Anzböck, Orgel


Sonntag, 27. Mai 2021

16 Uhr (Konzerteinführung 15 Uhr)

Benediktinerkloster Mariastein

 
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